In Sachsen-Anhalt stehen die Schulen kurz davor, erneut zu starten. Wenn das neue Schuljahr beginnt, werden alte Herausforderungen akuter und es tauchen neue Fragestellungen auf. Erneut ruft das Land nach Lehrkräfteverstärkung: Mit 230 ausgeschriebenen Stellen wird der akute Lehrermangel und die strukturellen Probleme im Bildungssystem deutlich. Mit dem Ende der Ferien bereiten sich Eltern sowie Schülerinnen und Schüler auf ihre Rückkehr in die Klassenzimmer vor, während im Bildungsministerium die Vorbereitungen für das kommende Schuljahr in vollem Gange sind.
In Sachsen-Anhalt ist der Lehrkräftemangel kein neues Problem. In den vergangenen Jahren hat die Landesregierung immer wieder mit Stellenausschreibungen auf den wachsenden Bedarf hingewiesen. Aber in diesem Sommer ist die Dringlichkeit besonders hoch: Die ausgeschriebenen Stellen beinhalten nicht nur klassische Lehramtskräfte, sondern auch ausdrücklich Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger. Die Nachfrage umfasst alle Schulformen – von Grundschulen über Förderschulen bis zu Gymnasien und Berufsschulen. Schwer zu besetzende Stellen erhalten Zulagen, um sie attraktiver zu machen. Die Bewerbungsfristen bringen einen zeitlichen Druck für potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten mit sich: Während der 30. September für allgemeinbildende Schulen der Stichtag ist, endet die Frist für berufsbildende Schulen bereits Ende August.
Die Lage wird immer kritischer, wenn man die demografische Entwicklung und die Probleme in ländlichen Gebieten betrachtet. An vielen Orten sind die Schülerzahlen stabil oder steigen sogar, während zahlreiche Lehrkräfte altersbedingt ausscheiden. Die Anforderungen an den Beruf haben sich also erhöht: Lehrkräfte müssen neben der Wissensvermittlung auch sozialen und integrativen Aufgaben gerecht werden, die Digitalisierung vorantreiben und auf unterschiedliche Lernniveaus eingehen. Bildungsminister Jan Riedel (CDU) hebt die gesellschaftliche Relevanz der Lehrkräfte hervor und ruft alle zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung auf. Nicht zuletzt ist der Lehrermangel ein Thema, das umfassende gesellschaftliche und politische Debatten anregt: Wie attraktiv ist der Lehrerberuf noch? Welche Wege gibt es, um junge Leute für den Lehrerberuf zu begeistern? Aber wie schafft man es, dass auch Quereinsteiger erfolgreich ins System integriert werden?
Die 230 ausgeschriebenen Stellen sind ein Indikator für die strukturellen Herausforderungen, mit denen das Bildungssystem in Sachsen-Anhalt konfrontiert ist. Außerdem zeigen sie, wie sehr die Zukunft der Schulen davon abhängt, dass es gelingt, Lehrkräfte erfolgreich zu gewinnen und zu halten. Der Lehrermangel wird aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet: Die Hintergründe, die unterschiedlichen Schulformen, die Erfahrungen aus anderen Bundesländern, die politischen Maßnahmen, die Rolle der Seiteneinsteiger, die regionalen Unterschiede, die Auswirkungen auf den Unterrichtsalltag und die Zukunftsperspektiven.
Lehrermangel als bundesweites Phänomen
In ganz Deutschland ist der Lehrermangel ein Thema, aber wie stark er ausgeprägt ist und wer davon betroffen ist, variiert je nach Bundesland. In den östlichen Bundesländern, einschließlich Sachsen-Anhalt, ist der Mangel an qualifizierten Lehrkräften seit Jahren ein ernsthaftes Problem. Es gibt mehrere Ursachen für diese Entwicklung, die sowohl demografische als auch bildungspolitische Faktoren umfassen. Ein zentraler Aspekt ist die Altersstruktur der Lehrerschaft: In Sachsen-Anhalt gehört ein großer Teil der Lehrerinnen und Lehrer der älteren Generation an. In den nächsten Jahren werden viele von ihnen in den Ruhestand gehen, wodurch eine Lücke entsteht, die der Nachwuchs derzeit nicht ausreichend füllen kann.
Gleichzeitig ist die Anzahl der Lehramtsstudienabsolventen nicht hoch genug, um die altersbedingten Abgänge zu kompensieren. Die Hochschulen in Sachsen-Anhalt und den umliegenden Regionen sind nicht in der Lage, den Bedarf der Schulen zu erfüllen. Zudem verlassen viele Absolventen das Bundesland, weil sie anderswo bessere Arbeitsbedingungen und Gehälter finden. In den letzten Jahren haben die Bundesländer verstärkt um qualifizierte Lehrkräfte konkurriert. Initiativen wie die Verbeamtung, bessere Gehälter oder Zulagen für Mangelregionen gehören zu dieser Entwicklung.
Bundesweite Entwicklungen wie die wachsende Heterogenität der Schülerschaft, die fortschreitende Digitalisierung und die Integration von Kindern mit besonderem Förderbedarf erhöhen die Anforderungen an das Lehrpersonal. Der Beruf hat sich in den letzten Jahren stark verändert: Pädagogische, soziale und organisatorische Aufgaben gewinnen neben der reinen Wissensvermittlung immer mehr an Bedeutung. Dies erhöht nicht nur die Arbeitsbelastung, sondern erfordert auch neue Qualifikationen und Schulungen.
Sachsen-Anhalt ist ein Beispiel für eine Entwicklung, die viele Bundesländer betrifft. Die Suche nach Lösungen ist ein Balanceakt zwischen kurzfristigen Maßnahmen – wie der Einstellung von Seiteneinsteigern – und langfristigen Reformen im Bildungssystem. Die Stellenausschreibung von 230 Lehrkräften ist also nicht nur ein Zeichen der akuten Not, sondern auch ein Hinweis auf eine strukturelle Krise, die einen umfassenden Wandel im deutschen Bildungswesen notwendig macht.
Verteilung des Bedarfs auf verschiedene Schulformen
In Sachsen-Anhalt sind die 230 ausgeschriebenen Stellen auf verschiedene Schulformen verteilt, wobei der Bedarf in bestimmten Bereichen besonders groß ist. An Grundschulen werden 60 Lehrkräfte gesucht, was auf einen erheblichen Mangel an Personal in der Primarstufe hinweist. Die Anforderungen an die pädagogische Kompetenz sind hier besonders hoch, weil Grundschullehrkräfte den Grundstein für die gesamte Bildungsbiografie der Schülerinnen und Schüler legen. Die Arbeit in kleinen Klassen, die Unterstützung individueller Talente und der Umgang mit heterogenen Lerngruppen machen den Beruf anspruchsvoll – und für Lehrkräfte, die nach pädagogischen Herausforderungen suchen, auch attraktiv.
Auch in den Förderschulen besteht ein großer Bedarf. Mit 68 ausgeschriebenen Stellen ist der Mangel hier besonders ausgeprägt. Eine wichtige Aufgabe kommt Förderschullehrkräften zu: Sie sind entscheidend für die Integration und die individuelle Förderung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen. Die Arbeit ist herausfordernd und erfordert neben pädagogischem Fachwissen auch soziale Kompetenz, Geduld und die Fähigkeit zur Flexibilität. Der Fachkräftemangel in diesem Bereich ist bundesweit zu beobachten und wird durch die Diskussion über Inklusion zusätzlich verschärft. Die zunehmende Integration von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den regulären Schulbetrieb macht die Suche nach spezialisierten Lehrerinnen und Lehrern notwendig.
Der Bedarf an Lehrkräften an Gymnasien ist weiterhin vorhanden: Es gibt 35 ausgeschriebene Stellen. Neben der Fachvermittlung steht auch die Vorbereitung der Jugendlichen auf das Abitur und den Übergang in Studium oder Ausbildung im Fokus. Die Ansprüche an Lehrkräfte an Gymnasien sind enorm, da sie oft mehrere Fächer unterrichten müssen. Neben den allgemeinbildenden Schulen gehören auch Gemeinschaftsschulen, Gesamtschulen und berufsbildende Schulen dazu. Sie sind entscheidend für die duale Ausbildung und die Vorbereitung junger Leute auf den Arbeitsmarkt. Die freie Wirtschaft ist dringend auf gut ausgebildete Fachkräfte angewiesen, was die Rolle der Berufsschulen und ihrer Lehrkräfte umso wichtiger macht.
Die ausgeschriebenen Stellen sind über das gesamte Gebiet der Bildungslandschaft in Sachsen-Anhalt verteilt, was deren Vielschichtigkeit zeigt. Sie macht deutlich, dass der Lehrermangel kein isoliertes Problem einzelner Schulformen ist, sondern das gesamte System betrifft. Die Schwierigkeiten variieren jedoch je nach Schulart: In Grund- und Förderschulen steht die pädagogische Arbeit im Mittelpunkt, während an Gymnasien und Berufsschulen oft fachliche Spezialisierungen gesucht sind. Um die Bildungsqualität im Land zu sichern, ist es entscheidend, dass alle ausgeschriebenen Stellen erfolgreich besetzt werden.
Ursachen des Lehrermangels in Sachsen-Anhalt
Verschiedene strukturelle, demografische und bildungspolitische Faktoren sind die Ursachen für den akuten Lehrermangel in Sachsen-Anhalt. Ein wesentliches Problem ist die Altersstruktur der Lehrkräfte. In den 1990er Jahren, nach der deutschen Wiedervereinigung, stellte Sachsen-Anhalt viele Lehrerinnen und Lehrer ein, um den Bedarf im neuen Schulsystem zu decken. Aufgrund dieser "Einstellungswelle" gehen nun in kurzer Zeit viele Lehrkräfte aus einer großen Kohorte in den Ruhestand. Der Ersatzbedarf, der daraus resultiert, übersteigt die Zahl der nachrückenden Absolventen deutlich.
Ein weiterer Faktor ist, dass der Lehrerberuf in Sachsen-Anhalt im Vergleich zu anderen Bundesländern nicht ausreichend attraktiv ist. Während Bundesländer wie Bayern oder Baden-Württemberg mit höheren Gehältern, besseren Arbeitsbedingungen und der Verbeamtung locken, bleibt Sachsen-Anhalt in vielen Aspekten zurück. In der Folge ziehen junge Lehrkräfte nach ihrem Studium in andere Bundesländer, weil dort die Rahmenbedingungen günstiger zu sein scheinen. In ganz Deutschland ist der Konkurrenzkampf um qualifizierte Lehrkräfte zu spüren, und er verschärft den Lehrkräftemangel in strukturschwächeren Regionen noch zusätzlich.
Außerdem ist die Anzahl der Lehramtsstudierenden in den letzten Jahren nicht hoch genug, um den Bedarf zu decken. In der Vergangenheit waren die Einschätzungen über den Lehrerbedarf oft zu optimistisch, was dazu führte, dass die Hochschulkapazitäten zu gering waren. Selbst das Lehramtsstudium wird als schwierig und langwierig angesehen, was viele potenzielle Interessenten abschreckt. Die Hürden für einen Quereinstieg sind zudem hoch, besonders für diejenigen, die keine pädagogische Vorerfahrung mitbringen.
Ein weiterer Punkt ist die demografische Entwicklung im Land. Obwohl die Bevölkerung in Sachsen-Anhalt insgesamt zurückgeht, gibt es in einigen Regionen stabile oder sogar steigende Schülerzahlen – sei es durch Zuzug oder höhere Geburtenraten in bestimmten Städten. Aufgrund der regionalen Unterschiede ist eine flexible Personalplanung notwendig, doch die angespannte Situation erschwert dies erheblich.
Auch die erhöhte Komplexität des Lehrerberufs trägt dazu bei. Die Erwartungen an Lehrkräfte haben sich in den letzten Jahren erheblich gesteigert: Sie müssen neben dem Unterrichten auch integrative Aufgaben erfüllen, mit Eltern und Behörden kommunizieren und sich fortlaufend weiterbilden. Diese Entwicklung erhöht die Belastung, was viele Lehrkräfte abschreckt oder sie dazu bewegt, den Beruf vorzeitig zu verlassen.
Maßnahmen des Landes zur Lehrkräftegewinnung
In Anbetracht der angespannten Lage hat Sachsen-Anhalt mehrere Maßnahmen ergriffen, um dem Lehrermangel entgegenzuwirken. Eine wichtige Strategie besteht darin, Stellen gezielt auszuschreiben – für Lehrkräfte mit Ausbildung sowie für Seiteneinsteiger. Indem man den Lehrerberuf für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger öffnet, möchte man Menschen mit unterschiedlichen fachlichen Hintergründen für das Bildungssystem gewinnen. In Mangelfächern und schwer zu besetzenden Regionen ist dies ein besonders wichtiger Ansatz.
Das Land gewährt eine Zulage für Stellen, die besonders schwer zu besetzen sind. Mit dieser finanziellen Anreizmaßnahme wollen wir die Positionen attraktiver gestalten und zudem Bewerberinnen und Bewerber aus anderen Regionen anziehen. Sachsen-Anhalt setzt auch auf eine intensivere Werbung für das Lehramt: Informationskampagnen, Hochschulmarketing und Partnerschaften mit Universitäten sollen den Lehrerberuf besonders für junge Menschen und Studienanfänger attraktiver gestalten.
Ein weiteres Instrument ist die flexible Gestaltung der Lehrkräfte-Einsatzmöglichkeiten. Lehrkräfte, die mehrere Fächer unterrichten oder in verschiedenen Schulformen arbeiten können, werden bevorzugt eingestellt. Die Qualifikation von Seiteneinsteigern und Lehrkräften, die bereits im Beruf stehen, soll durch Fort- und Weiterbildungsangebote gesichert und verbessert werden. Um die Schularbeitsbedingungen zu verbessern, ergreift das Land Maßnahmen: Hohe Arbeitsbelastungen sollen verringert werden, Sozialarbeiter und Verwaltungsangestellte sollen Lehrkräfte unterstützen, und die Digitalisierung des Unterrichts soll helfen, den Beruf attraktiver zu machen.
Zusätzlich geht das Land Kooperationen mit anderen Bundesländern ein, um gemeinsam Lösungen für den Lehrermangel zu finden. Wichtige Elemente dieses Prozesses sind die Abstimmung über die Anerkennung von Abschlüssen, die Vereinheitlichung der Einstellungskriterien und der Austausch von Erfahrungen auf Länderebene.
Es sind erste Erfolge der Maßnahmen zu verzeichnen, aber sie erfüllen noch nicht den gesamten Bedarf. Die aktuelle Ausschreibung zeigt, dass trotz aller Anstrengungen noch immer große Lücken im System existieren. Das Rekrutieren von Lehrkräften ist deshalb eine wichtige politische und gesellschaftliche Herausforderung in Sachsen-Anhalt.
Rolle und Herausforderungen für Seiteneinsteiger
In Sachsen-Anhalt sind Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger zunehmend wichtig, um den Lehrermangel zu bewältigen. Ihre Einstellung reagiert auf die Realität, dass der Bedarf an ausgebildeten Lehrkräften nicht mehr allein durch die Absolventen der Lehramtsstudiengänge gedeckt werden kann. Seiteneinsteiger sind Individuals, die ursprünglich einen anderen beruflichen Werdegang gewählt haben und nun, oft nach einem Hochschulstudium in einem Mangel- oder Fachbereich, in das Schulsystem wechseln.
Die Integration von Seiteneinsteigern bringt Chancen und Herausforderungen mit sich. Einerseits bereichern Lehrkräfte ohne pädagogische Ausbildung oft den Unterricht mit praktischen Erfahrungen aus anderen Berufen und können so neue Perspektiven schaffen. Dieses Wissen wird besonders in den berufsbildenden Schulen benötigt, sei es im technischen oder im kaufmännischen Bereich. Auf der anderen Seite haben Seiteneinsteiger oft keine pädagogische Ausbildung, die für den Lehrerberuf essenziell ist. Um diesem Mangel zu begegnen, hat Sachsen-Anhalt spezielle Qualifizierungsprogramme im Angebot. Dazu zählen pädagogische Fortbildungen, Hospitationen sowie das Mentoring durch erfahrene Kolleginnen und Kollegen.
Ein weiterer entscheidender Faktor ist, wie sehr das Kollegium und die Schülerinnen und Schüler Seiteneinsteiger akzeptieren. Forschungsergebnisse belegen, dass Seiteneinsteiger oft mit Vorbehalten konfrontiert sind, besonders wenn sie ohne umfassende pädagogische Vorbereitung unterrichten. Deshalb braucht eine erfolgreiche Integration nicht nur den Einsatz der neuen Lehrkräfte, sondern auch die Offenheit und Unterstützung der gesamten Schulgemeinschaft.
Die Herausforderungen, denen Seiteneinsteiger gegenüberstehen, sind vielfältig: Sie müssen in kurzer Zeit den Schulalltag verstehen, Unterrichtsmethoden erlernen und sich mit rechtlichen sowie organisatorischen Rahmenbedingungen vertra machen. Vor allem die Klassenführung und der Umgang mit schwierigen Situationen können zu Beginn eine große Herausforderung sein. Der Seiteneinstieg bietet jedoch auch die Möglichkeit, einen sinnstiftenden Beruf zu finden und neue Karrierewege zu beschreiten.
Das Land Sachsen-Anhalt möchte die Rahmenbedingungen für Seiteneinsteiger weiter optimieren. Das umfasst alles: gezielte Fortbildungsmöglichkeiten, ein strukturiertes Mentoring und die Option, berufsbegleitend die Qualifikation zu verbessern. Erfahrungen belegen, dass Seiteneinsteiger einen wertvollen Beitrag zur Sicherung der Unterrichtsversorgung leisten können, wenn sie nur richtig unterstützt und in das System integriert werden.
Regionale Unterschiede und Brennpunkte
In Sachsen-Anhalt ist der Lehrermangel nicht überall gleich, sondern er weist deutliche regionale Unterschiede auf. In ländlichen Gebieten und strukturschwachen Regionen hingegen ist die Situation deutlich schlimmer, obwohl Städte wie Magdeburg, Halle (Saale) und Dessau-Roßlau vergleichsweise besser mit Lehrkräften versorgt sind. Es ist besonders schwierig, hier neue Lehrkräfte zu gewinnen und sie langfristig zu halten. Es gibt zahlreiche Gründe dafür: Weniger entwickelte Infrastruktur, das Fehlen kultureller Angebote und eine geringere Attraktivität des Lebensumfelds sind ebenso Faktoren wie die Distanz zu den Hochschulstandorten.
Ein zentraler Aspekt des Lehrermangels sind die sogenannten "schwer zu besetzenden Regionen". In diesen Regionen werden besonders viele Stellen ausgeschrieben, oft ohne dass es eine ausreichende Anzahl von Bewerbern gibt. Um hier gegenzusteuern, nutzt das Land gezielt Zulagen und weitere Anreize. Allerdings sind die Schwierigkeiten in diesen Regionen nicht nur auf die Personalsituation beschränkt: Oft sind auch die Schulen selbst schlechter gebaut, das soziale Umfeld ist herausfordernder und die Schülerzahlen sind rückläufig oder schwanken. Das erschwert die langfristige Planung und mindert die Attraktivität des Lehrerberufs vor Ort.
Ein weiteres Problem ist die Pendelbewegung von Lehrkräften: Viele Lehrpersonen wohnen in den größeren Städten, arbeiten jedoch in ländlichen Gebieten. Der tägliche Weg zur Schule ist eine zusätzliche Belastung für Lehrkräfte und mindert die Bindung zur Schule und zum Umfeld. Um diesem Problem entgegenzuwirken, setzen sich einige Gemeinden dafür ein, die Infrastruktur zu verbessern, beispielsweise durch bessere Verkehrsanbindungen oder Wohnungsangebote für Lehrkräfte.
Obwohl die Lage in den städtischen Ballungszentren etwas entspannter ist, existieren auch dort Mangelfächer, in denen es schwierig ist, Stellen zu besetzen – wie beispielsweise in den Naturwissenschaften oder der Sonderpädagogik. Außerdem erhöhen die wachsenden Schülerzahlen in urbanen Gebieten den Bedarf an Lehrkräften. Das Land steht vor der Herausforderung, eine ausgewogene Versorgung in allen Regionen zu gewährleisten und die speziellen Bedürfnisse der ländlichen Gebiete zu berücksichtigen.
Die regionalen Unterschiede zeigen deutlich, dass der Lehrermangel nicht mit einer "One-size-fits-all"-Lösung angegangen werden kann. Es sind vielmehr differenzierte Maßnahmen notwendig, die die spezifischen Gegebenheiten vor Ort berücksichtigen. Um den Lehrermangel in Sachsen-Anhalt langfristig zu bekämpfen, sind die gezielte Unterstützung ländlicher Regionen, die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen für Lehrkräfte sowie die enge Zusammenarbeit mit den Gemeinden entscheidende Maßnahmen.
Auswirkungen des Lehrermangels auf den Unterrichtsalltag
Der akute Lehrkräftemangel ist in Sachsen-Anhalt deutlich im Schulalltag zu spüren. Viele Schulen müssen die schwierige Aufgabe meistern, den Unterricht aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die Qualität der Bildung zu sichern, obwohl sie kein ausreichendes Personal haben. Unterrichtsausfall, größere Klassen und eine erhöhte Belastung für die verbleibenden Lehrkräfte sind die häufigsten Folgen. Fächer mit einem besonders hohen Bedarf sind besonders betroffen, wie Mathematik, Naturwissenschaften, Fremdsprachen und Sonderpädagogik.
Um den Unterrichtsbetrieb aufrechtzuerhalten, müssen Schulleitungen oft improvisieren: Sie legen Stunden zusammen, Lehrkräfte übernehmen Klassen oder Fächer, für die sie nicht voll ausgebildet sind, oder sie übernehmen zusätzliche Klassen. An vielen Schulen sind Vertretungsunterricht und kurzfristig eingesetzte Aushilfskräfte zur Gewohnheit geworden. Das hat nicht nur zur Folge, dass die Lehrkräfte mehr zu tun haben; es beeinflusst auch die Lernbedingungen der Schülerinnen und Schüler. Die Planung von Projekten oder außerschulischen Aktivitäten sowie die individuelle Förderung stehen oft hinten an.
Der Lehrermangel hat zur Folge, dass Schülerinnen und Schüler weniger Kontinuität im Unterricht erleben und weniger Zeit für individuelle Förderung bleibt. Kinder und Jugendliche mit besonderem Förderbedarf sind besonders betroffen; sie benötigen intensive Unterstützung. Die Integration von Flüchtlingskindern sowie Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund wird ebenfalls durch den Personalmangel erschwert. Die Ansprüche an Lehrkräfte wachsen, während die personellen Ressourcen abnehmen.
Ein zentrales Problem ist die Belastung der Lehrkräfte: Überforderung, Überstunden und das Fehlen von Unterstützung sind häufige Klagen vieler Lehrerinnen und Lehrer. Das Resultat sind nicht selten Krankheitstage und im schlimmsten Fall Burnout oder ein vorzeitiger Ausstieg aus dem Berufsleben. Unter diesen Umständen sinkt die Motivation, sich fortzubilden oder zusätzliche Aufgaben zu übernehmen.
Trotz aller Herausforderungen finden sich an vielen Schulen auch Lichtblicke: Lehrkräfte übernehmen gemeinsam Verantwortung, entwickeln neue Unterrichtsansätze und nutzen digitale Medien, um den Unterricht flexibler zu gestalten. Eltern und außerschulische Partner helfen bei Projekten oder der Organisation von Freizeitaktivitäten. Trotz allem ist der Lehrermangel eine zentrale Herausforderung, die den Schulalltag in Sachsen-Anhalt und die Bildungsbiografien vieler Kinder und Jugendlicher prägt.
Perspektiven und Zukunftsaussichten für das Bildungssystem
Die jüngst ausgeschriebenen 230 Lehrstellen in Sachsen-Anhalt sind ein klares Zeichen dafür, dass der Lehrermangel das Bildungssystem noch über Jahre hinweg beschäftigen wird. Es wird erwartet, dass in den kommenden Jahren viele Lehrkräfte altersbedingt ausscheiden werden, während der Nachwuchs weiterhin rar ist. Um die Unterrichtsversorgung langfristig zu sichern, sind fundamentale Veränderungen im Bildungssystem notwendig.
Eine wichtige Aufgabe ist es, den Lehrerberuf attraktiver zu machen – sei es durch bessere Bezahlung oder durch verbesserte Arbeitsbedingungen. Die Verbeamtung, höhere Gehälter und bessere Arbeitszeiten sind Maßnahmen, die in anderen Bundesländern bereits positive Effekte hatten. Sachsen-Anhalt hat zwar erste Schritte in diese Richtung gemacht, aber es ist noch mehr Handeln erforderlich.
Die Lehrerbildung sollte weiterentwickelt und flexibler gestaltet werden. Das umfasst eine bessere Zusammenarbeit zwischen Schulen und Hochschulen, mehr praktische Elemente im Studium und die Öffnung für neue Zielgruppen, wie Menschen mit Berufs- oder Lebenserfahrung. Eine wichtige Aufgabe bleibt es, Seiteneinsteiger zu qualifizieren und zu unterstützen, weil sie einen großen Teil zur Deckung des Personalbedarfs beitragen können.
Die Digitalisierung und neue Unterrichtsformen machen es möglich, den Lehrerberuf zu modernisieren und innovative Lernmethoden zu schaffen. Die Nutzung digitaler Medien, die Unterstützung von Teamarbeit und die Einbindung von außerschulischen Partnern können helfen, die Arbeitslast zu reduzieren und die Qualität der Bildung zu sichern.
Die Diskussion über die Zukunft des Bildungssystems, sowohl politisch als auch gesellschaftlich, ist lebhaft am Laufen. Die Lehren aus Sachsen-Anhalt verdeutlichen, dass es mehr als kurzfristige Maßnahmen braucht: Ein umfassender Reformprozess ist notwendig, der die Bedürfnisse der Lehrkräfte, der Schülerinnen und Schüler und der Gesellschaft insgesamt berücksichtigt. Das zentrale Ziel, Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit zu sichern, kann nur mit ausreichend und gut ausgebildetem Personal erreicht werden.