Die Geschichte Quedlinburgs ist eng verbunden mit den Frauen, die über viele Jahrhunderte auf dem Stiftsberg regierten und wirkten. Äbtissinnen und Stiftsdamen waren für die Entwicklung der Stadt und der gesamten Region Harz bedeutend, doch bleiben sie im öffentlichen Bewusstsein weitgehend unsichtbar. Gemälde oder andere bildliche Darstellungen aus ihrer aktiven Zeit sind kaum vorhanden. Nur Siegel, Münzen und Grabplatten erlauben es, Rückschlüsse auf ihre Existenz zu ziehen. Im Jahr 2025 geht man mit einer kreativen Fotoaktion auf dem Quedlinburger Stiftsberg neue Wege, um historische Persönlichkeiten der Gegenwart ein Gesicht zu geben.
Engagierte Museumsmitarbeitende, Historikerinnen und Künstlerinnen unterstützen diese Initiative, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die prägenden Frauenfiguren der rund 900-jährigen Geschichte des Quedlinburger Damenstifts für die Gegenwart und die Zukunft sichtbar und erfahrbar zu machen. Frauen im Alter von 15 bis 75 Jahren aus der Region wurden dazu eingeladen, sich als "Modell-Äbtissinnen" fotografieren zu lassen. Im Frühjahr 2025 fand ein umfangreiches Fotoshooting statt, bei dem sie in aufwendig gestalteten historischen Gewändern schlüpften und in einer authentischen Umgebung abgelichtet wurden. Die erstellten Porträts werden digital bearbeitet, um eine möglichst realitätsnahe Darstellung der Stiftsdamen zu erreichen. Im Frühjahr 2026 werden sie als Hauptbestandteil in die neue Dauerausstellung im Schlossmuseum Quedlinburg und in der Stiftskirche St. Servatii aufgenommen.
Die Aktion ist ein Meilenstein in der Aufarbeitung der Geschichte weiblicher Herrschaft und Bildung in Mitteldeutschland. Denn das Quedlinburger Frauenstift, welches König Otto I. und seiner Mutter Mathilde im Jahr 936 gründeten, war weit mehr als nur ein frommes Refugium für adlige Damen. Dort vereinten sich politische Macht, kulturelle Blüte und soziale Innovation. Im Laufe der Jahrhunderte hatten die Äbtissinnen einen großen Einfluss auf das geistliche Leben sowie auf die Verwaltung und das Wachstum der Stadt Quedlinburg. Die Regentschaft endete erst mit der Säkularisation im Jahr 1802. Die Fotoaktion verbindet dieses Erbe mit der Gegenwart. Sie gibt 27 ausgewählten Persönlichkeiten aus der Geschichte des Stifts ein Gesicht und macht sie wieder sichtbar.
Die Quedlinburger Initiative setzt ein wichtiges Zeichen in einer Ära, in der Geschlechtergerechtigkeit und die Sichtbarkeit von Frauen in der Geschichte endlich mehr Beachtung finden. Die Kombination aus zeitgenössischer Fotografie, digitaler Bildbearbeitung und Geschichtsforschung schafft neue Wege, um die Vergangenheit zu erkunden. Außerdem bildet die Beteiligung von engagierten Bürgerinnen aus Quedlinburg und der Umgebung eine lebendige Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Auf etwa 2.300 Quadratmetern im Schlossmuseum und in der Stiftskirche zeigt die neue Dauerausstellung das vielfältige Wirken der Stiftsfrauen – von der ersten Äbtissin Hatheburg bis zur letzten Vorsteherin Sophie Albertine – umfassend und erlebbar.
Quedlinburger Damenstift: Ein Zentrum weiblicher Macht
Gegründet im Jahr 936, war das Quedlinburger Damenstift eines der wichtigsten Frauenstifte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit im Heiligen Römischen Reich. König Otto I. und seine Mutter Mathilde gründeten die Institution, um eine geistliche Gemeinschaft für die unverheirateten Töchter des Hochadels zu schaffen. Im Quedlinburger Stift war, anders als in vielen anderen Klöstern, das Hauptaugenmerk nicht auf das klösterliche Leben gerichtet, sondern auf die Ausbildung und Erziehung von adligen Frauen zu gebildeten und selbstbewussten Persönlichkeiten, die im kirchlichen und politischen Leben Verantwortung übernehmen konnten.
Die Äbtissinnen des Stifts hatten die Rolle einer geistlichen Oberin und waren zugleich weltliche Herrscherinnen. Ihr Recht, über die Stadt Quedlinburg und große Ländereien zu herrschen, war ihnen verliehen. Dank kaiserlicher Privilegien waren sie Reichsfürstinnen und hatten Sitz und Stimme auf den Reichstagen. Sie verwalteten Grundbesitz, erhoben Steuern und übten die Gerichtsbarkeit aus; all dies spiegelte ihre umfassende Macht wider. Sie trafen die Entscheidungen über die Besetzung wichtiger Ämter, die Vergabe von Lehen und die Organisation des Wirtschaftslebens. Äbtissinnen kamen oft aus den angesehensten Familien des Reiches, wie den Ottonen, Askaniern und Wettinern.
Ein Zentrum der Bildung war das Stift. Theologie, Sprachen, Musik und die sogenannten freien Künste waren die Fächer, die den Stiftsdamen gelehrt wurden. Häufig konnten sie in lateinischer Sprache kommunizieren und Manuskripte verfassen oder kopieren. Dank der Existenz des Stifts entwickelte sich Quedlinburg bereits im Mittelalter zu einem kulturellen und wirtschaftlichen Zentrum der Region. Die Stiftskirche St. Servatii wurde ein wichtiger Wallfahrtsort und umfasste viele Reliquien und Kunstwerke.
Obwohl die Stiftsfrauen eine zentrale Rolle in Politik, Wirtschaft und Kultur spielten, blieb ihre Geschichte lange im Schatten der männlichen Herrscherhäuser. Die meisten Quellen, die überliefert wurden, stammen von männlichen Chronisten, welche die Leistungen der Äbtissinnen oft nur am Rande erwähnten. Bildliche Kunstwerke – wie Gemälde oder Skulpturen – sind weitgehend abwesend, besonders aus der Zeit vor dem 16. Jahrhundert. Aus diesem Grund sind viele Persönlichkeiten des Stifts heute kaum bekannt.
Im Jahr 1802 beendete die Säkularisation das Damenstift. Das Vermögen wurde beschlagnahmt, und die Stiftsdamen mussten den Stiftsberg verlassen. Aber das Erbe der starken Quedlinburger Frauen lebt in den Bauwerken, Archiven und jetzt auch in neuen fotografischen Darstellungen weiter. Die Fotoaktion im Jahr 2025 und die geplante Dauerausstellung sind ein Zeichen für die lange unterschätzte Bedeutung der weiblichen Geschichte in Quedlinburg.
Die Unsichtbarkeit der Äbtissinnen: Ein Blick in die Quellenlage
Die historische Unsichtbarkeit der Äbtissinnen von Quedlinburg ist nicht zufällig; sie resultiert aus einer bestimmten Überlieferungslage. Während viele männliche Herrscher, Bischöfe und Adelige des Mittelalters durch Gemälde, Statuen oder detailreiche Chroniken überliefert sind, mangelt es bei den Äbtissinnen häufig an solchen Darstellungen. Dies ist zum einen der gesellschaftlichen Rolle der Frauen zu dieser Zeit, zum anderen den üblichen bildlichen Traditionen und den materiellen Gegebenheiten dieser Epoche geschuldet.
Im Zeitraum vor dem 16. Jahrhundert waren Frauenporträts, vor allem von geistlichen Oberinnen, eher selten zu finden. Die wenigen erhaltenen Abbildungen sind meist Siegel, Münzen oder Grabplatten. Allerdings liefern sie nur grundlegende Hinweise auf das Erscheinungsbild und den Charakter der abgebildeten Frauen. Sie stellen stilisierte Gesichter oder Wappen dar, die der Funktion mehr Bedeutung als dem individuellen Erscheinungsbild beimessen. Schriftliche Quellen sind oft lückenhaft und bieten nur die männliche Sichtweise. Die Leistungen der Äbtissinnen wurden von Chronisten wie Thietmar von Merseburg oder den Annalisten der ottonischen Zeit meist nur am Rande erwähnt, und zwar dann, wenn sie mit kaiserlichen Verwandtschaftsverhältnissen oder politischen Ereignissen in Verbindung standen.
Ein weiteres Problem für die Rekonstruktion der Geschichte ist, dass im Laufe der Jahrhunderte viele Dokumente und Kunstwerke zerstört wurden. Kriege, Brände und der Bildersturm während der Reformationszeit haben Lücken im kulturellen Gedächtnis der Stadt hinterlassen. Die erhaltenen Kunstschätze sind heute über verschiedene Museen und Sammlungen verteilt. Die Schatzkammer der Stiftskirche in Quedlinburg ist ein Zeugnis der einstigen Pracht, doch auch hier sind individuelle Darstellungen der Äbtissinnen nicht zu finden.
Die historiografische Forschung hat sich über lange Zeit auf die von Männern dominierten Herrschaftsstrukturen konzentriert. Es ist erst seit einigen Jahrzehnten, dass die Leistungen weiblicher Akteurinnen mehr Beachtung finden. Frauenklöster und Damenstifte erhalten durch die Genderforschung eine neue Würdigung; Historikerinnen und Historiker lesen Quellen mit frischem Blick und schätzen deren Einfluss auf die europäische Geschichte neu ein. Die Quedlinburger Äbtissinnen sind also unsichtbar, was auch die allgemeine Marginalisierung der Frauengeschichte im öffentlichen Bewusstsein widerspiegelt.
Im Jahr 2025 wird die Fotoaktion diese Tradition der Unsichtbarkeit durchbrechen. Eine neue Form der Annäherung an die Vergangenheit entsteht, indem Frauen von heute in die Rollen historischer Persönlichkeiten schlüpfen und sie bildlich inszeniert werden. Die digitalen Porträts nehmen die ikonografische Lücke ein, die Archive und Sammlungen hinterlassen. Sie erlauben es den Gästen der neuen Dauerausstellung, den Äbtissinnen buchstäblich "ins Gesicht zu sehen" und sich so intensiver mit ihrer Lebenswelt auseinanderzusetzen.
Die Fotoaktion 2025: Von der Idee zur Umsetzung
Im Zuge der Vorbereitungen für die geplante Neugestaltung der Dauerausstellung im Schlossmuseum kam die Idee auf, die unsichtbaren Stiftsfrauen von Quedlinburg durch moderne Fotografie sichtbar zu machen. Das Konzept verantworten Historikerinnen und Museumspädagoginnen, die zusammen mit Fotografen und Kostümbildnerinnen ein innovatives Projekt entwarfen. Es sollte erreicht werden, dass neben den historischen Figuren selbst auch ihre Wirkungsgeschichte und die Bedeutung für die Gegenwart vermittelt wurden.
Im Frühjahr 2025 wurde in Quedlinburg und der Umgebung ein öffentlicher Aufruf gestartet. Frauen im Alter von 15 bis 75 Jahren wurden gesucht, die bereit waren, die Rolle einer Äbtissin oder Stiftsdame einzunehmen. Die Resonanz übertraf die Erwartungen der Initiatoren: Über 80 Bewerbungen wurden eingereicht, darunter von Schülerinnen, Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen und Frauen aus dem öffentlichen Leben der Stadt. In einem Auswahlprozess wurden letztendlich 27 Teilnehmerinnen ausgewählt, die jeweils eine historische Persönlichkeit repräsentieren sollten.
Im März 2025 wurde auf dem Quedlinburger Stiftsberg ein großes Fotoshooting veranstaltet. Die originalen Räume des Schlossmuseums und der Stiftskirche St. Servatii dienten als Kulisse. Historische Gewänder wurden unter der Anleitung von Kostümbildnerinnen als detailreiche Repliken geschaffen, basierend auf den wenigen erhaltenen Beschreibungen und den modischen Vorbildern der damaligen Zeit. Die Schmink- und Friseurteams kümmerten sich um das passende Erscheinungsbild, damit die Teilnehmerinnen so authentisch wie möglich in die Rollen ihrer historischen Vorbilder schlüpfen konnten.
Die Frauen wurden vom Fotografen inszeniert, wobei er darauf achtete, dass sie würdig und zugleich modern dargestellt werden. Die Bilder wurden nach dem Shooting digital retuschiert. Historische Accessoires, Hintergründe und Lichtstimmungen wurden hinzugefügt, um die Atmosphäre der jeweiligen Epoche einzufangen. Die digitale Nachbearbeitung erlaubte es außerdem, die Porträts an das vermutete Erscheinungsbild der realen Äbtissinnen anzupassen, indem man historische Beschreibungen und Vergleichsdarstellungen heranzog.
Die Fotoaktion ging über ein künstlerisches Experiment hinaus. Sie umfasste wissenschaftliche Vorträge, Workshops und Gesprächsrunden. Die Teilnehmerinnen und Besucherinnen konnten sich mit der Geschichte des Stifts beschäftigen und Vergleiche zur Gegenwart ziehen. Die Aktion unterstützte den Austausch der Generationen und stärkte das Bewusstsein für das kulturelle Erbe von Quedlinburg. Ab Frühjahr 2026 sind die Porträts, die in diesem Projekt entstanden sind, als Hauptbestandteil der neuen Dauerausstellung im Schlossmuseum und der Stiftskirche zu sehen.
Die Auswahl der historischen Persönlichkeiten: 27 Gesichter einer bewegten Geschichte
Ein wichtiger Aspekt der Fotoaktion ist die Auswahl der Äbtissinnen und Stiftsdamen, die durch moderne Porträts sichtbar werden sollen. Eine Projektgruppe aus Historikerinnen, Museumspädagoginnen und Vertreterinnen der Stadtgesellschaft stellte eine Liste mit 27 Persönlichkeiten zusammen, die für unterschiedliche Epochen und Entwicklungen in der Geschichte des Quedlinburger Damenstifts stehen.
An erster Stelle steht die legendäre Gründungsäbtissin Hatheburg, die als Witwe des Sachsenherzogs Heinrich und erste Vorsteherin des Stifts im Jahr 936 maßgeblich am Aufbau des Frauenklosters beteiligt war. Weitere bedeutende Äbtissinnen wie Mathilde, die Tochter Ottos des Großen, folgten; sie festigte das Stift in einer Zeit politischer Umwälzungen und erwirkte zahlreiche Privilegien. Frauen aus dem Umfeld der Ottonen- und Salierdynastie, die das Stift zu einem Zentrum der königlichen Macht machten, sind ebenfalls vertreten.
Äbtissinnen aus späteren Jahrhunderten, wie der Zeit der Reformation und des Dreißigjährigen Kriegs, sind ebenfalls in dieser Auswahl vertreten. Äbtissin Anna II. von Stolberg, die das Stift durch eine Zeit religiöser und gesellschaftlicher Spannungen leitete, gehört dazu. Als letzte Stiftsvorsteherin repräsentiert Sophie Albertine von Anhalt-Bernburg das Ende der Institution im Zuge der Säkularisation im Jahr 1802. Neben den Äbtissinnen werden einige besonders einflussreiche Stiftsdamen porträtiert, die als Förderinnen von Kunst, Wissenschaft und Wohltätigkeit in Erscheinung treten.
Die Auswahl der Persönlichkeiten erfolgte nach einer gründlichen Bewertung der verfügbaren Quellen. Neben Urkunden, Chroniken und Inventarverzeichnissen kamen auch Grabinschriften, Briefe sowie Berichte von zeitgenössischen Beobachterinnen zum Einsatz. Das Ziel war es, die Vielfalt und Kontinuität der weiblichen Führung im Quedlinburger Stift so repräsentativ wie möglich darzustellen. Frauen aus verschiedenen Hintergründen, Bildungswegen und Charakteren – von der machtbewussten Reichsfürstin bis zur stillen Mäzenatin im Hintergrund – sind in dieser Darstellung zu finden.
Eine lebendige Galerie von 27 Frauen, die jeweils eine Epoche, einen bestimmten Stil und individuelle Lebenswege repräsentieren, entsteht durch das Zusammenspiel von Geschichte und moderner Darstellung. Erläuternde Texte und multimediale Inhalte begleiten die Porträts, die den Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung einen vertieften Einblick in die Biografien und das Wirken der Stiftsfrauen ermöglichen. Die Auswahl zeigt, dass die weibliche Geschichte in Quedlinburg alles andere als statisch war; sie war durch Dynamik, Wandel und Innovation gekennzeichnet.
Die Rolle der Bürgerinnen: Engagement und Identifikation
Die Fotoaktion hat das wichtige Ziel, die Stadtgesellschaft von heute in die Vermittlung des historischen Erbes einzubeziehen. Die Wahl, zeitgenössische Frauen aus Quedlinburg und Umgebung als "Modell-Äbtissinnen" zu berufen, spiegelt einen partizipativen Ansatz wider, der auf Identifikation und Engagement setzt. Die Aktion ist eine Einladung an alle Bürgerinnen, das kulturelle Gedächtnis aktiv mitzugestalten.
Die Auswahl der Teilnehmerinnen war bewusst breit gefächert. Frauen aller Altersgruppen, Berufe und sozialer Hintergründe sind vertreten. Während einige Teilnehmerinnen familiäre Wurzeln in Quedlinburg haben, sind andere Zugezogene oder engagieren sich in lokalen Vereinen und Initiativen. In Interviews und Begleitveranstaltungen berichteten viele von ihnen, dass die Aktion ihnen einen neuen Zugang zur Geschichte ihrer Stadt ermöglicht hat. Die Auseinandersetzung mit den Lebensgeschichten der Äbtissinnen und das Eintauchen in ihre Welt schärften das Bewusstsein für die historischen Kontinuitäten und Brüche im eigenen Leben.
Durch den partizipativen Ansatz der Fotoaktion wird die Identifikation der Bürgerinnen mit ihrer Stadt und ihrem kulturellen Erbe gestärkt. Die Teilnehmerinnen verstehen sich nicht nur als "Darstellerinnen", sondern auch als Botschafterinnen, die die Geschichte der Quedlinburger Stiftsfrauen in ihre Familien, Nachbarschaften und Freundeskreise tragen. Die Aktion strahlt über die Ausstellung hinaus in den öffentlichen Raum aus. Sie regt Gespräche über Geschlechterrollen, Machtverhältnisse und die Wichtigkeit der Erinnerungskultur an.
Die Unterstützung durch lokale Unternehmen, Vereine und Bildungseinrichtungen ist ein Zeichen für das Engagement der Bürgerinnen. Historische Gewänder wurden von Handwerksbetrieben erstellt, Schulen brachten das Thema in den Unterricht ein, und Künstlerinnen realisierten begleitende Projekte im Stadtraum. Die Stadt Quedlinburg, das Land Sachsen-Anhalt und mehrere Stiftungen haben die Aktion unterstützt. Die breite Unterstützung zeigt, wie wichtig die Initiative für die regionale Identität und das Selbstverständnis der Stadt als Ort weiblicher Geschichte ist.
Indem die Bürgerinnen in die Fotoaktion einbezogen werden, wird das oft abstrakte Thema "Frauengeschichte" konkret und greifbar. Sie eröffnet einen emotionalen Zugang zur Vergangenheit und erleichtert das Verständnis für die Schwierigkeiten und Errungenschaften der Stiftsfrauen. So ist die Aktion ein Beispiel für erfolgreiche partizipative Geschichtsvermittlung im 21. Jahrhundert.
Historische Authentizität und digitale Innovation: Die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart
Ein besonderes Merkmal der Quedlinburger Fotoaktion ist, dass sie historische Authentizität mit moderner Technologie vereint. Die Organisatorinnen hatten es sich zum Ziel gesetzt, die Stiftsfrauen so realitätsnah wie möglich darzustellen. Umfassende Recherchen zu den modischen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten der jeweiligen Zeiten bildeten die Grundlage hierfür.
In enger Zusammenarbeit mit Historikern und Textilkundlern schufen die Kostümbildnerinnen Gewänder, Frisuren und Accessoires, die sie so originalgetreu wie möglich nach historischen Vorlagen gestalteten. Materialien, Farbtönen und Schnitten lagen zeitgenössische Vorbilder zugrunde, die in Museumsbeständen, Buchmalereien und Inventarlisten festgehalten sind. Detailreiche Aspekte wie Schmuck, Kopfbedeckungen und Insignien der Äbtissinnen, die ihren gesellschaftlichen Rang symbolisierten, wurden besonders beachtet.
Die Fotografie wurde als Medium eingesetzt, um die historische Distanz zu überbrücken und die Vergangenheit unmittelbar zugänglich zu machen. Porträts, die die Würde und Individualität der abgebildeten Personen zugleich hervorheben, sind durch die gezielte Lichtführung, die Komposition und die Wahl der Perspektive entstanden. Dank digitaler Nachbearbeitung konnten Hintergründe, Räumlichkeiten und atmosphärische Effekte hinzugefügt werden, die das historische Setting verstärken. Manchmal wurden die Porträts mit digitalen Gemälde-Effekten versehen, um die Ästhetik der alten Meister zu zitieren.
Begleitende wissenschaftliche Texte und multimediale Inhalte haben die Authentizität der Darstellung gesichert. An den Ausstellungsstücken angebrachte QR-Codes leiten zu digitalen Dossiers, die weiterführende Informationen, Originalquellen und Experteninterviews enthalten. Äbtissinnen der Zisterzienserinnen können Besucherinnen und Besuchern ihre Lebenswelt näherbringen: Sie laden dazu ein, ihren Alltag, ihre Herausforderungen und die Entscheidungen, die sie treffen müssen, zu erkunden.
Die Ausstellung ist ein Vorzeigeprojekt der modernen Geschichtsvermittlung, weil sie historische Forschung mit digitaler Innovation verbindet. Sie macht sich die Chancen der Technik zunutze, um die Vergangenheit neu zu betrachten und Überlieferungslücken zu schließen. Die Geschichte lädt die Gäste ein, sich aktiv mit ihr zu beschäftigen und eigene Fragen an die Vergangenheit zu formulieren. Die Porträts der Stiftsfrauen fungieren als Brücken zwischen den Jahrhunderten, indem sie Vergangenheit und Gegenwart verbinden.
Die neue Dauerausstellung im Schlossmuseum und in der Stiftskirche
Die Ergebnisse der Fotoaktion sind das Hauptaugenmerk einer neuen Dauerausstellung, die im Frühjahr 2026 im Schlossmuseum Quedlinburg und in der Stiftskirche St. Servatii eröffnet wird. Auf etwa 2.300 Quadratmetern kann die Geschichte des Damenstifts, seiner Äbtissinnen und Stiftsdamen sowie deren Einfluss auf Stadt und Region umfassend präsentiert werden.
Die Ausstellung, die als multimediales Erlebnis gestaltet ist, präsentiert den Besucherinnen und Besuchern die Geschichte Quedlinburgs über verschiedene Epochen hinweg. Die großformatigen Drucke und interaktiven Displays zeigen die fotografischen Porträts der 27 ausgewählten Persönlichkeiten. Originale Artefakte, Handschriften, liturgische Geräte und Kunstwerke aus der Schatzkammer der Stiftskirche ergänzen sie. Die Lebenswelt der Stiftsfrauen wird durch audiovisuelle Installationen und digitale Rekonstruktionen lebendig gemacht.
Die Ausstellung legt einen besonderen Fokus auf die Vermittlung von Alltagsgeschichte. Die verschiedenen Aspekte des Lebens im Damenstift werden durch Mode, Ernährung, Bildung und religiöse Praxis anschaulich dargestellt. Ein besonderer Fokus liegt auf der Rolle der Äbtissinnen als politische Akteurinnen, Mäzeninnen und als Vermittlerinnen zwischen den Geschlechtern. Die Frauen des Stifts fanden Wege, um in einer von Männern dominierten Gesellschaft Einfluss zu gewinnen und ihre Interessen durchzusetzen, wie die Ausstellung zeigt.
Schulklassen, Familien und alle Interessierten, unabhängig vom Alter, können pädagogische Angebote nutzen. Durch Workshops, Führungen und digitale Lernstationen haben Besucher die Möglichkeit, sich vertieft mit den Themen der Ausstellung auseinanderzusetzen. Ein Veranstaltungsprogramm mit Vorträgen, Konzerten und Theateraufführungen schafft Anknüpfungspunkte für die Stadtgesellschaft sowie für Gäste aus nah und fern.
Das Projekt ist für die nationale und internationale Erinnerungskultur von großer Bedeutung, weil die Ausstellung im UNESCO-Welterbe Quedlinburg eingebettet ist. Die Stiftsfrauen als eigenständige und handelnde Persönlichkeiten zu präsentieren, ist ein neuer Maßstab für die Darstellung der Frauengeschichte im Museum. Indem sie das Lokale mit dem Globalen verbindet, ist die Ausstellung ein Leuchtturmprojekt der Region.
Bedeutung und Ausblick: Ein neues Kapitel in der Erinnerungskultur
Mit der Fotoaktion und der daraus resultierenden Dauerausstellung wird ein wichtiger Schritt zur Aufarbeitung und Vermittlung der weiblichen Geschichte in Quedlinburg gemacht. Sie sorgen nicht nur dafür, dass die bisher unsichtbaren Stiftsfrauen von einem breiten Publikum wahrgenommen werden, sondern bieten auch neue Blickwinkel auf die Rolle der Frauen in der gesamten Geschichte. Ein zeitgemäßer Umgang mit kulturellem Erbe, der Vergangenheit und Gegenwart verbindet und zur aktiven Teilhabe einlädt, wird durch diese Initiative exemplarisch verkörpert.
Eine dynamische Erinnerungslandschaft entsteht, wenn wir die Stadtgesellschaft einbeziehen, moderne Technologien nutzen und Wissenschaft, Kunst und Bildung eng zusammenarbeiten. Die Porträts der Äbtissinnen und Stiftsdamen sind mehr als bloße Rekonstruktionen – sie sind Ausdruck einer kollektiven Suche nach Identität, Orientierung und Vorbildern. Sie laden dazu ein, die Fragen nach Macht, Geschlecht und gesellschaftlicher Teilhabe neu zu formulieren und die Errungenschaften von Frauen in der Geschichte anzuerkennen.
Schon im Voraus ist die Fotoaktion und die geplante Ausstellung sehr beliebt. Schulen, Vereine und Initiativen haben angekündigt, das Thema in ihren Projekten aufzugreifen. Selbst auf nationaler Ebene findet das Vorhaben Beachtung: Historikerinnen und Museumsfachleute aus anderen Regionen betrachten das Quedlinburger Modell als ein Beispiel für innovative Geschichtsvermittlung. Die Aktion könnte vergleichbare Projekte an anderen historischen Stätten anstoßen.
In der Zukunft schafft die Initiative neue Chancen, um die Geschichte von Frauen zu erforschen und darzustellen. Porträts im digitalen Format können in überregionalen Datenbanken erfasst, für wissenschaftliche Zwecke verwendet und in sozialen Medien geteilt werden. Es sind Kooperationen mit anderen Museen, Archiven und Forschungseinrichtungen vorgesehen. Um das Thema lebendig zu halten und neue Generationen zu erreichen, wird die Ausstellung kontinuierlich weiterentwickelt und aktuelle Forschungsergebnisse werden eingebunden.
Die Quedlinburger Stiftsfrauen ins Licht zu rücken, ist also nicht nur ein Erinnern, sondern auch ein Schritt hin zu einer Erinnerungskultur, die inklusiv, vielfältig und zukunftsgerichtet ist. Es ist ein Beispiel dafür, wie man Geschichte im 21. Jahrhundert erzählen kann: durch Partizipation, Interaktivität und einen Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Die starken Frauen von Quedlinburg sind ein Symbol für viele andere, deren Geschichten bislang verborgen waren – sie eröffnen somit neue Perspektiven auf die Vergangenheit.