Rückgang bei Lehrkräften und Schülerzahlen in Sachsen-Anhalt

Der Lehrermangel in Sachsen-Anhalt ist seit Jahren ein immer wiederkehrendes Thema, das Politiker, Bildungsverwaltung, Lehrkräfte, Eltern und Schüler betrifft. Einerseits ist ein erheblicher Rückgang der Schülerinnen und Schüler zu beobachten, während das Bundesland gleichzeitig mit einer abnehmenden Zahl von Lehrkräften kämpft. Die Situation scheint sich auch im neuen Schuljahr nicht grundlegend zu verbessern, wie aktuelle Zahlen aus dem Bildungsministerium in Magdeburg zeigen. Bildungsminister Jan Riedel (CDU) erkennt, dass das Land weiterhin mit einer angespannten Personallage zu kämpfen hat. Es gibt viele Gründe für die Entwicklung, die von demografischen Veränderungen über eine hohe Zahl an Pensionierungen bis hin zu einem unzureichenden Zustrom von Bewerberinnen und Bewerbern auf ausgeschriebene Stellen reichen. Das Land reagiert mit unterschiedlichen Maßnahmen, aber die Effektivität dieser Versuche bleibt ein umstrittenes Thema.

Aktuelle Zahlen belegen, dass die Anzahl der Lehrkräfte, die den Schuldienst verlässt, die der neuen übersteigt. Im laufenden Jahr wurden bislang 923 Lehrkräfte eingestellt, darunter etwa 355 Seiteneinsteiger – dies ist ein Zeichen für den fortwährenden Fachkräftemangel. In diesem Zeitraum haben jedoch mehr als 1.000 Lehrkräfte den aktiven Schuldienst verlassen, was die Gesamtzahl der Lehrkräfte weiter reduziert. Auch bei den Schülerinnen und Schülern ist ein Rückgang zu verzeichnen: Für das kommende Schuljahr werden rund 213.800 Schülerinnen und Schüler erwartet, während es im Vorjahr noch 214.300 waren. Es wird erwartet, dass die rückläufigen Schülerzahlen in den kommenden Jahren weiterhin diesem Trend folgen werden.

Parallel dazu nimmt die Unterrichtsversorgung leicht ab. Im neuen Schuljahr konnten 93,6 Prozent der Grundversorgung an den allgemeinbildenden Schulen abgedeckt werden, nachdem es im Vorjahr noch 94 Prozent waren. An den berufsbildenden Schulen liegt die Unterrichtsversorgung mit 92,3 Prozent noch etwas darunter. Er weist darauf hin, dass der Grundbedarf an Unterricht im landesweiten Durchschnitt weiterhin erfüllt wird, aber er räumt ein, dass es an einigen Schulen besonders prekäre Situationen gibt, die gezielte Lösungen benötigen. Um die Schulen zu entlasten, hat das Land kürzlich die pädagogischen Unterrichtshilfen geschaffen, die ab 2026 eingesetzt werden sollen.

Angesichts dieser Entwicklungen ist es wichtig zu fragen, wie Sachsen-Anhalt auf die Herausforderungen im Bildungsbereich reagieren kann und welche Folgen der Rückgang der Lehrer und Schüler für die Unterrichtsqualität und die Chancengleichheit im Land haben wird. Der Artikel geht der aktuellen Situation nach, untersucht die Ursachen, skizziert die Aktionen der Landesregierung, schaut sich die Lage an den Schulen vor Ort an und stellt die Entwicklungen in einen bundesweiten Kontext.

Demografische Entwicklung und ihre Auswirkungen auf das Schulsystem

Die demografische Entwicklung in Sachsen-Anhalt bringt grundlegende Herausforderungen für das Schulsystem mit sich. Seit der Wiedervereinigung Deutschlands hat das Bundesland einen erheblichen Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen, der vor allem die Kinder- und Jugendgruppen betrifft. Von 1990 bis 2020 hat Sachsen-Anhalt einen Rückgang der Bevölkerung um über 20 Prozent erlebt. Die Geburtenrate bleibt niedrig, während die Abwanderung junger Menschen in wirtschaftlich stärkere Regionen weiterhin besteht. Wegen dieser Entwicklungen werden immer weniger Kinder eingeschult und die Schülerzahlen gehen kontinuierlich zurück.

Diese Entwicklung hat unmittelbare Auswirkungen auf den Schulalltag. Für das Schuljahr 2024/25 prognostiziert das Bildungsministerium etwa 213.800 Schülerinnen und Schüler, nachdem es im Vorjahr noch 214.300 waren. Die Zahl der Schulanfänger sinkt ebenfalls: In diesem Jahr beginnen 18.947 Kinder die erste Klasse, nachdem es 2023 noch knapp 19.600 waren. Es wird vorausgesagt, dass dieser Rückgang mindestens bis zum Ende des Jahrzehnts andauern wird. Die Gründe sind neben dem Rückgang der Geburtenzahlen auch die fortwährende Abwanderung von Familien, die in anderen Bundesländern bessere Chancen sehen.

Das Schulsystem hat daraus vielschichtige Konsequenzen. Einerseits verringert sich der Bedarf an Lehrkräften und Schulgebäuden, was eine Reduzierung und Umstrukturierung des Schulnetzes zur Folge hat. In den letzten Jahren haben viele Schulen, vor allem in ländlichen Gebieten, entweder zusammengelegt oder geschlossen werden müssen. Das führt oft dazu, dass Schulwege lang sind und wohnortnahe Bildungseinrichtungen fehlen. Auf der anderen Seite bleibt der Lehrermangel bestehen, weil viele Pädagoginnen und Pädagogen das Rentenalter erreichen, während der Nachwuchs nicht den nötigen Qualifikationen entspricht.

Auf den ersten Blick könnte man denken, dass ein Rückgang der Schülerzahlen das System entlastet. Trotz der positiven Entwicklung bleibt die Unterrichtsversorgung angespannt, weil der Altersdurchschnitt der Lehrkräfte hoch ist und viele in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. Außerdem verbessern kleinere Klassen nicht automatisch die Unterrichtsversorgung, wenn die personellen Ressourcen fehlen. Soziale Herausforderungen werden durch die demografische Entwicklung verschärft: In Regionen mit Bevölkerungsrückgang steigen die Anforderungen an individuelle Förderung, Integration und Inklusion, weil die Schülerschaft immer heterogener wird und sich die Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen unterscheidet.

Angesichts dieser Veränderungen ist es die Aufgabe von Politik und Verwaltung, das Schulsystem an die neuen demografischen Bedingungen anzupassen. Das betrifft nicht nur die Planung der Schulstandorte, sondern auch die Steuerung von Personal und Ressourcen sowie die pädagogische Ausrichtung der Schulen. Die demografische Entwicklung ist also ein entscheidender Aspekt, wenn es um die Gestaltung des Bildungswesens in Sachsen-Anhalt geht.

Lehrermangel: Ursachen und aktuelle Situation

Der Lehrermangel in Sachsen-Anhalt ist ein kompliziertes und vielschichtiges Problem, das sich über die Jahre entwickelt hat. Die Gründe dafür sind sowohl struktureller als auch kurzfristiger Natur. Ein wesentlicher Grund ist die Altersstruktur der Lehrkräfte: In Sachsen-Anhalt ist das Durchschnittsalter der Lehrerinnen und Lehrer im Vergleich zu anderen Bundesländern besonders hoch. Ein großer Teil von ihnen befindet sich kurz vor dem Ruhestand oder hat ihn in den letzten Jahren bereits hinter sich. Die Pensionierungswelle trifft das Land besonders stark, weil in den 1990er Jahren nach der Wende viele Lehrkräfte eingestellt wurden und sie nun fast alle gleichzeitig aus dem Dienst scheiden.

Ein weiterer Aspekt ist die geringe Anzahl der Lehramtsabsolventen, die in Sachsen-Anhalt ausgebildet werden. Die Universitäten haben nur begrenzte Kapazitäten, und viele Absolventen wählen nach ihrem Abschluss einen Job in anderen Bundesländern, weil dort bessere Arbeitsbedingungen, höhere Gehälter oder ansprechendere Lebensumstände zu finden sind. Damit konkurriert Sachsen-Anhalt bundesweit um junge Talente, obwohl die strukturellen Nachteile des Landes – wie das Lohnniveau, die Infrastruktur oder das Freizeitangebot – oft ausschlaggebend sind.

Die Schwierigkeiten werden zusätzlich durch die wachsende Zahl von Seiteneinsteigern ohne klassische Lehramtsausbildung, die in den Schuldienst kommen, verstärkt. Von den 923 Lehrkräften, die in diesem Schuljahr neu eingestellt wurden, sind 355 Seiteneinsteiger – das zeigt, dass der Bestand an ausgebildeten Lehrkräften nicht mehr ausreicht, um den Bedarf zu decken. Um den Anforderungen des Schulalltags gerecht zu werden, müssen diese Seiteneinsteiger in der Regel umfangreiche Qualifizierungsmaßnahmen absolvieren. Um sie in Schulen einzuführen, braucht es zusätzliche Ressourcen und Hilfe.

In den letzten Jahren hat die Politik verschiedene Maßnahmen umgesetzt, um dem Lehrermangel zu begegnen, wie zum Beispiel die verstärkte Werbung um Lehramtsstudierende, die Erhöhung der Studienplätze, Anpassungen der Gehälter und die Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle. Trotzdem ist die Lage der Bewerber für die ausgeschriebenen Stellen angespannt, wie Bildungsminister Jan Riedel hervorhebt. In vielen Fällen gibt es nicht ausreichend qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber für offene Stellen, vor allem in den Mangelfächern wie Mathematik, Naturwissenschaften und Fremdsprachen.

Die Unterrichtsversorgung an allgemeinbildenden Schulen beträgt landesweit 93,6 Prozent; im vergangenen Jahr lag sie noch bei 94 Prozent. An den berufsbildenden Schulen ist die Lage mit einer Versorgung von nur 92,3 Prozent noch schwieriger. Mit diesen Werten ist es möglich, den Grundbedarf an Unterricht im Durchschnitt zu erfüllen, aber es kommt oft vor, dass in einzelnen Fächern Unterricht ausfällt oder gekürzt wird. An bestimmten Schulen, vor allem in strukturschwachen oder ländlichen Gebieten, ist die Situation besonders prekär, weil der Lehrermangel dort besonders spürbar ist.

Alles in allem ist der Lehrermangel in Sachsen-Anhalt nicht kurzfristig zu beheben. Die strukturellen Ursachen – vor allem die Altersstruktur und die geringe Attraktivität des Lehrerberufs im Land – brauchen langfristige und nachhaltige Lösungen. Die Abhängigkeit von Seiteneinsteigern und die Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen, zeigen deutlich, dass die Sicherstellung einer ausreichenden Unterrichtsversorgung eine der größten Herausforderungen für das Bildungssystem ist.

Maßnahmen der Landesregierung zur Sicherung der Unterrichtsversorgung

In Anbetracht der angespannten Personalsituation hat die Landesregierung Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren unterschiedliche Maßnahmen umgesetzt, um die Unterrichtsversorgung zu sichern und den Lehrermangel zu mildern. Es geht darum, kurzfristige Engpässe zu überbrücken und langfristig die Attraktivität des Lehrerberufs zu erhöhen sowie mehr Nachwuchskräfte für das Bundesland zu gewinnen.

Eine der wichtigsten Maßnahmen ist es, Seiteneinsteiger zu gewinnen und zu qualifizieren. Weil für viele der ausgeschriebenen Stellen keine ausgebildeten Lehrkräfte verfügbar sind, greift man immer häufiger auf Quereinsteiger aus anderen akademischen Berufen zurück. Um sie auf den Unterrichtsalltag vorzubereiten, bekommen sie spezielle Qualifizierungsprogramme. Im laufenden Schuljahr wurden über diesen Weg 355 der neu eingestellten Lehrkräfte gewonnen. Die Landesregierung hat die Programme erweitert und setzt auf eine enge Begleitung der Seiteneinsteiger durch erfahrene Mentorinnen und Mentoren an den Schulen.

Es wurden auch verschiedene Anreize geschaffen, um die Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte zu verbessern und das Berufsbild attraktiver zu gestalten. Hierzu gehören Gehaltsanpassungen, die Option auf Teilzeitbeschäftigung und Programme, die Familie und Beruf besser vereinbaren. Auch die Einstellungskriterien wurden angepasst, indem ausländische Abschlüsse anerkannt und Bewerberinnen und Bewerber aus anderen Bundesländern zugelassen werden.

Ein weiterer Fokus liegt darauf, Lehrkräfte durch den Einsatz zusätzlicher pädagogischer Fachkräfte zu entlasten. Zusätzlich zu den rund 1.900 pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die bereits an den Schulen arbeiten, wurde eine neue Personalkategorie eingeführt: die pädagogischen Unterrichtshilfen. Ab 2026 sollen sie vor allem an Sekundarschulen eingesetzt werden, um Lehrkräfte bei pädagogischen Aufgaben, der individuellen Förderung und der Organisation des Ganztagsbetriebs zu entlasten. Im Juni 2024 wurden die ersten 152 Stellenangebote veröffentlicht. Um die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezielt auf ihre Aufgaben vorzubereiten, absolvieren sie ein 450-stündiges Qualifizierungsprogramm.

Außerdem setzt die Landesregierung auf die gezielte Werbung für den Lehrerberuf. Um das Lehramtsstudium für junge Menschen attraktiv zu machen und Absolventinnen sowie Absolventen in Sachsen-Anhalt zu halten, sind Imagekampagnen, Informationsveranstaltungen an Hochschulen und Jobmessen geplant. Diese Bemühungen werden durch Stipendienprogramme und finanzielle Anreize für Lehramtsstudierende ergänzt.

Man betrachtet die Digitalisierung des Unterrichts auch als Chance, die Unterrichtsversorgung zu verbessern. Um Unterrichtsausfälle zu kompensieren und flexiblere Lernformen zu schaffen, sollen digitale Lernplattformen, Online-Fortbildungen und der Ausbau der IT-Infrastruktur eingesetzt werden. Schulen werden gleichzeitig ermutigt, neue Unterrichtsmodelle auszuprobieren, wie zum Beispiel Team-Teaching oder jahrgangsübergreifenden Unterricht.

Die Personalsituation bleibt trotz dieser Maßnahmen angespannt. Die Programme und Anreize werden weiterhin kritisch betrachtet, vor allem wenn es um die Ausbildungsqualität für Seiteneinsteiger und die tatsächliche Entlastung der Lehrkräfte geht. Die Landesregierung hebt hervor, dass die Sicherung der Unterrichtsversorgung auf lange Sicht nur durch ein Paket von Maßnahmen und die enge Zusammenarbeit mit Schulen, Hochschulen und anderen Beteiligten im Bildungsbereich möglich ist.

Die Situation an den Schulen: Zwischen Grundversorgung und individueller Förderung

In Sachsen-Anhalt sind der Lehrermangel und der Rückgang der Schülerzahlen die Herausforderungen, die den Schulalltag prägen. Obwohl der Bildungsminister betont, dass der Grundbedarf an Unterricht landesweit gedeckt sei, klagen viele Schulen über erhebliche Belastungen und eine angespannte Personalsituation. Besonders an bestimmten Standorten – oft in ländlichen und strukturschwachen Gebieten – ist die Situation prekär. Unterrichtsausfälle, das Zusammenlegen von Klassen und eine Einschränkung des Fächerangebots sind hier häufig zu beobachten.

Im neuen Schuljahr liegt die durchschnittliche Unterrichtsversorgung an den allgemeinbildenden Schulen bei 93,6 Prozent. Das heißt, dass nicht alle Unterrichtsstunden gemäß der Stundentafel erteilt werden können. Mangelfächer wie Mathematik, Physik, Chemie oder Fremdsprachen sind besonders betroffen, da es kaum Bewerberinnen und Bewerber dafür gibt. Selbst in den musisch-kreativen Fächern und der Berufsorientierung sind Engpässe häufig zu beobachten. An den berufsbildenden Schulen liegt die Versorgung mit 92,3 Prozent sogar noch unter diesem Wert, was die Qualität der Ausbildung und die Attraktivität dieser Schulformen beeinträchtigt.

Zusätzlich zum Pflichtunterricht müssen Schulen immer mehr Aufgaben übernehmen. Hierzu zählen die persönliche Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Lernbedarfen, die Eingliederung von Kindern mit Migrationshintergrund, die Umsetzung der Inklusion und die Planung des Ganztagsbetriebs. Oftmals fehlen die personellen und zeitlichen Ressourcen, um diese Aufgaben zu bewältigen. Eine hohe Arbeitsbelastung, Überstunden und das Fehlen von Unterstützung durch pädagogische Fachkräfte oder Sozialarbeiter sind Berichten vieler Lehrkräfte zu entnehmen.

Die Lage wird auch durch die zunehmende Heterogenität der Schülerschaft erschwert. In vielen Klassen vereinen sich Kinder aus verschiedenen sozialen, sprachlichen und kulturellen Hintergründen. Eine differenzierte und individualisierte Förderung ist erforderlich, doch oft fehlen die notwendigen Fachkräfte und Förderstunden. Die Digitalisierung des Unterrichts, die während der Corona-Pandemie einen Fortschritt erlebt hat, bringt ebenfalls neue Anforderungen an die Lehrkräfte und die technische Ausstattung der Schulen mit sich.

Viele Schulen, trotz der schwierigen Bedingungen, setzen sich für neue Konzepte und Kooperationen ein, um die Unterrichtsversorgung zu sichern und die Unterrichtsqualität zu bewahren. Hierzu zählen die Kooperation mit Partnern außerhalb der Schule, der Einsatz digitaler Lernplattformen, die Arbeit mit multiprofessionellen Teams oder die Etablierung flexibler Unterrichtsmodelle. Diese Ansätze sind jedoch nur in der Lage, die strukturellen Probleme teilweise zu kompensieren.

Die Rückmeldungen aus den Schulen zeigen, dass es bei der aktuellen Situation nicht nur um die Unterrichtsversorgung geht; sie beeinflusst auch die Lehrermotivation, das Lernklima und die Bildungsbiografien der Schülerinnen und Schüler. Angesichts des Lehrermangels und der rückläufigen Schülerzahlen hat das Schulsystem die schwierige Aufgabe, die Grundversorgung zu sichern und gleichzeitig individuelle Förderung sowie Chancengleichheit zu schaffen. Die Balance zwischen diesen Zielen zu finden, ist eine der wichtigsten Aufgaben der kommenden Jahre, wenn man die begrenzten Ressourcen und die steigenden Anforderungen betrachtet.

Regionale Unterschiede und Brennpunkte im Land

In Sachsen-Anhalt variieren die Unterrichtsversorgung und die Personalsituation an den Schulen erheblich je nach Region. Ländliche und strukturschwache Gebiete sind besonders vom Lehrermangel und den Auswirkungen des demografischen Wandels betroffen, während größere Städte wie Magdeburg oder Halle diese Probleme weniger stark spüren. In vielen Regionen, insbesondere im Norden und Osten des Landes, sind aufgrund der sinkenden Schülerzahlen und der Abwanderung junger Familien zahlreiche Schulen von Schließungen oder Zusammenlegungen betroffen.

Die Rekrutierung neuer Lehrkräfte in ländlichen Gebieten ist besonders herausfordernd. Hier ist die Situation bezüglich der Bewerber oft angespannter als im Durchschnitt des Landes. Nach dem Studium zieht es viele jungen Lehrkräfte in die Großstädte oder in andere Bundesländer, die mit besseren Arbeitsbedingungen, attraktiveren Entwicklungsmöglichkeiten und einer höheren Lebensqualität locken. Unbesetzte Stellen, häufig wechselnde Vertretungen und eine hohe Belastung für die verbleibenden Kolleginnen und Kollegen sind die Folgen. Insbesondere Mangelfächer wie Mathematik, Physik, Chemie oder Informatik werden an Schulen im ländlichen Raum kaum noch regulär unterrichtet.

Außerdem beeinflussen die geringen Schülerzahlen die Struktur der Schule. Oftmals werden kleine Schulen mit wenigen Klassen zusammengelegt oder geschlossen, was dazu führt, dass die Kinder längere Schulwege haben und weniger mit ihrem Wohnort verbunden sind. Dies gilt besonders für Grundschulen und Sekundarschulen, die für viele Familien als soziale Anlaufstellen im Ort eine wichtige Funktion haben. Durch die Schließung von Schulen kann die Region noch unattraktiver werden, was einen Teufelskreis von Abwanderung und Schrumpfung zur Folge haben kann.

Obwohl die Situation in den Städten Magdeburg, Halle und Dessau-Roßlau insgesamt etwas entspannter ist, gibt es dennoch in einzelnen Fächern und Schulformen Engpässe. Vor allem Berufsschulen und Förderschulen haben Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen. Außerdem ist die Schülerschaft in urbanen Gebieten oft heterogener, was zusätzliche Herausforderungen für die individuelle Förderung und Integration mit sich bringt.

Ein weiteres wichtiges Thema sind die sogenannten sozialen Brennpunktschulen. Oft kommen hier mehrere Schwierigkeiten zusammen: der Lehrermangel, die hohe Fluktuation unter den Lehrkräften, der große Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund, der Bedarf an Sprachförderung und herausfordernde soziale Bedingungen. An diesen Schulen ist die Belastung für das Personal besonders hoch, wodurch Unterrichtsausfälle oder ein Verlust der Qualität leichter entstehen können.

Mit gezielten Maßnahmen versucht die Landesregierung, die regionalen Unterschiede zu bekämpfen. Hierzu gehören unter anderem finanzielle Anreize für Lehrkräfte, die eine Tätigkeit in ländlichen Regionen wählen, Sonderprogramme zur Unterstützung von Brennpunktschulen oder die gezielte Zuweisung von pädagogischen Fachkräften. Die Herausforderung, eine gleichwertige Bildungsversorgung für alle Regionen zu gewährleisten, bleibt jedoch bestehen. Ein zentrales Gerechtigkeitsproblem sind die regionalen Unterschiede in der Unterrichtsversorgung und der Verfügbarkeit von Lehrkräften; es braucht langfristige Strategien, um ländliche und benachteiligte Regionen attraktiver zu machen.

Auswirkungen auf Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit

Die Veränderungen der Zahlen von Lehrkräften und Schülern haben große Auswirkungen auf die Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit in Sachsen-Anhalt. Eine der wichtigsten Aufgaben des Bildungssystems ist es, allen Kindern und Jugendlichen die gleichen Chancen auf Bildung zu geben, egal woher sie kommen, wo sie wohnen oder welchen sozialen Status sie haben. Der Lehrermangel und die regionale Konzentration von Engpässen gefährden dieses Ziel immer mehr.

Individuelle Förderung, Ganztagsangebote und innovative Unterrichtskonzepte lassen sich eher an Schulen umsetzen, die eine gute Personalausstattung und stabile Kollegien haben. In Gebieten, die von Lehrermangel und hoher Fluktuation betroffen sind, werden oft nur die Pflichtstunden abgesichert, während Zusatzangebote und Fördermaßnahmen ganz entfallen oder gekürzt werden. Besonders betrifft dies Schülerinnen und Schüler mit besonderen Lernbedarfen, Kinder aus Familien mit geringem Bildungsangebot oder mit Migrationshintergrund, die auf intensive Unterstützung angewiesen sind.

Durch das Schließen oder Zusammenlegen von Schulen im ländlichen Raum wird der Zugang zu wohnortnaher Bildung erschwert. Lange Schulwege und das Fehlen vertrauter Bezugspersonen können das Lernverhalten und die Motivation der Kinder beeinträchtigen. In sozialen Brennpunkten verschärft der Lehrermangel bestehende Problemlagen, indem er zu einer hohen Fluktuation im Kollegium, fehlender Kontinuität in der pädagogischen Arbeit und einer geringeren Beteiligung an Schulentwicklungsprozessen führt.

Die angespannte Personalsituation hat auch negative Auswirkungen auf die Inklusion von Kindern mit Behinderungen oder besonderem Förderbedarf. Oftmals fehlen speziell ausgebildete Lehrkräfte oder sonderpädagogische Fachkräfte, um die gesetzlichen Vorgaben für inklusiven Unterricht zu erfüllen. Das Ergebnis sind Lehrkräfte, die überfordert sind, und eine unzureichende Unterstützung der betroffenen Kinder.

Die Chancen der Digitalisierung des Unterrichts zur Verbesserung der individuellen Förderung sind vorhanden, aber es braucht die richtige Ausstattung, Schulung und Unterstützung dafür. Viele Schulen haben keine moderne Technik, Breitbandverbindungen oder digital geschultes Personal. So könnte sich die digitale Kluft zwischen Schulen mit guter Ausstattung und solchen, die benachteiligt sind, weiter vergrößern.

Die Landesregierung erkennt das Problem und unterstreicht die Wichtigkeit der Bildungsgerechtigkeit als Leitprinzip. Programme zur gezielten Unterstützung von benachteiligten Schulen, zusätzliche Mittel für Sozialarbeit und Sprachförderung sowie Sonderaktionen für Brennpunktschulen sind Maßnahmen, die helfen sollen, die bestehenden Unterschiede zu verringern. Die neuesten Ereignisse verdeutlichen jedoch, dass der Lehrermangel und strukturelle Probleme die Chancengleichheit im Bildungssystem gefährden. Es bleibt eine der wichtigsten Aufgaben für Politik und Gesellschaft in Sachsen-Anhalt, die Sicherung von gleichwertigen Bildungschancen zu gewährleisten.

Vergleich mit anderen Bundesländern und bundesweite Perspektiven

Die Schwierigkeiten im Bildungsbereich, wie sie in Sachsen-Anhalt zu sehen sind, sind keineswegs ein Einzelfall. Demografische Veränderungen, ein hohes Durchschnittsalter der Lehrkräfte und eine schwierige Bewerbersituation sind auch in anderen ostdeutschen Bundesländern wie Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen Herausforderungen. Aber auch westdeutsche Flächenländer haben ähnliche Probleme, auch wenn die Ursachen und die Dynamik unterschiedlich sind.

Sachsen-Anhalt befindet sich im bundesweiten Vergleich im unteren Mittelfeld, was die Unterrichtsversorgung angeht. Während Länder wie Bayern und Baden-Württemberg aus dem Süden Deutschlands über 95 Prozent erreichen, sind die ostdeutschen Länder meist darunter. Die Situation des Personals hängt eng zusammen mit der regionalen Attraktivität, den Gehältern und den beruflichen Perspektiven für Lehrkräfte. Bundesländer, die urbanen Zentren, eine gute Infrastruktur und höhere Gehälter bieten, haben meistens bessere Chancen.

Bundesweit ist die Rekrutierung von Seiteneinsteigern zu einem wichtigen Mittel geworden, um den Lehrermangel kurzfristig zu beheben. Mit einem Anteil von rund 18 Prozent der neu eingestellten Lehrkräfte ist Sachsen-Anhalt im Bundesvergleich im Durchschnitt, was Seiteneinsteiger betrifft. In Berlin und Brandenburg ist der Anteil noch höher, während er in süddeutschen Ländern deutlich geringer ist. Bundesweit wird die Qualität der Ausbildung und Integration von Seiteneinsteigern kontrovers debattiert.

In den ostdeutschen Bundesländern ist der Rückgang der Schülerzahlen besonders stark zu beobachten. Während in den westdeutschen Flächenländern und Stadtstaaten teilweise die Schülerzahlen steigen oder stabil bleiben, erleben Sachsen-Anhalt und ähnliche Regionen ungebremst die Auswirkungen des demografischen Wandels. Dies beeinflusst die Schulnetzplanung, die Verteilung der Ressourcen und die langfristigen Aussichten für den Bildungsbereich.

Seit Jahren setzen sich Bildungsverbände und Gewerkschaften bundesweit für eine bessere finanzielle Ausstattung der Länder, eine koordinierte Lehrerbedarfsplanung und eine engere Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern ein. Die 2023 abgehaltene "Lehrermangelgipfel"-Konferenz der Kultusminister hat gezeigt, dass es ohne Zusammenarbeit kaum möglich ist, die Herausforderungen zu meistern. Themen wie die Anerkennung ausländischer Abschlüsse, die Erhöhung der Studienkapazitäten und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen stehen auf der Agenda.

Sachsen-Anhalt hat im Vergleich zu anderen Bundesländern in den letzten Jahren verschiedene Reformen initiiert, wie die Einführung neuer Personalkategorien, die gezielte Unterstützung von Brennpunktschulen und die Digitalisierungsoffensive. Trotz alledem ist der Handlungsdruck hoch, weil die strukturellen Probleme gravierend sind und die Konkurrenz um Nachwuchskräfte bundesweit wächst.

Die bundesweite Aufmerksamkeit auf die Entwicklungen in Sachsen-Anhalt ist groß, weil sie die Herausforderungen des Bildungssystems in Zeiten von demografischem Wandel und Fachkräftemangel exemplarisch darstellen. Die Erfahrungen und Lösungsansätze des Landes können anderen Bundesländern als Inspiration dienen, verdeutlichen jedoch auch die Grenzen landespolitischer Maßnahmen, wenn es um strukturelle Veränderungen im Bildungssystem geht.

Zukunftsperspektiven und Herausforderungen für das Bildungssystem

Die aktuellen Veränderungen der Lehrer- und Schülerzahlen stellen grundlegende Fragen zur Zukunft des Bildungssystems in Sachsen-Anhalt. Die Veränderungen der Demografie, der andauernde Lehrermangel und die zunehmende Heterogenität der Schülerschaft erfordern langfristige Strategien und kreative Lösungen, um Schule und Unterricht zu gestalten.

Eine große Herausforderung ist es, die Unterrichtsversorgung langfristig und nachhaltig zu sichern. Wegen der bevorstehenden Pensionierungswellen und der geringen Zahl an Lehramtsabsolventen wird es immer schwieriger, ausreichend qualifiziertes Personal zu finden. Die Rekrutierung von Seiteneinsteigern kann den Mangel kurzfristig lindern, erfordert aber große Anstrengungen in Bezug auf Qualitätssicherung und Integration ins Schulsystem. Es braucht zusätzliche Ressourcen und eine enge Zusammenarbeit zwischen Schulen, Hochschulen und Bildungsverwaltung, um diese neuen Lehrkräfte auszubilden und zu begleiten.

Die Digitalisierung des Unterrichts bringt Chancen zur Modernisierung des Bildungssystems, erfordert jedoch auch neue Standards für Infrastruktur, Lehrerausbildung und Didaktik. Die flächendeckende digitale Ausstattung, die Schaffung neuer Lernformen und die Schulung des Personals sind entscheidende Aufgaben für die kommenden Jahre. Es ist wichtig, die digitale Spaltung zwischen Schulen mit unterschiedlichen Ressourcen zu überwinden und allen Schülerinnen und Schülern Zugang zu modernen Lernmitteln zu schaffen.

Ein weiteres Zukunftsthema ist die Förderung der multiprofessionellen Zusammenarbeit an Schulen. Aufgrund der anspruchsvollen Aufgaben – von der individuellen Förderung über die Integration bis hin zur Berufsorientierung – ist die Rolle von pädagogischen Fachkräften, Sozialarbeitern, Schulpsychologen und weiteren Professionen von großer Bedeutung. Neue Personalkategorien wie die pädagogischen Unterrichtshilfen sind ein Fortschritt in diese Richtung, müssen aber durch eine klare Aufgabenverteilung, Qualifizierung und Finanzierung abgesichert werden.

Die Schulnetzplanung wird zur kontinuierlichen Aufgabe, weil die Schülerzahlen zurückgehen und sich die Siedlungsstruktur verändert. Um wohnortnahe Bildung zu sichern, Schulschließungen zu vermeiden und im ländlichen Raum attraktive Angebote zu schaffen, braucht es kreative Lösungen und eine enge Zusammenarbeit mit den Kommunen. Es ist wichtig, dass das Bildungssystem gleichzeitig flexibel auf neue Herausforderungen wie Migration, Inklusion oder gesellschaftliche Veränderungen reagieren kann.

Die politische Debatte hat die Bildungsgerechtigkeit nach wie vor im Fokus. Ein grundlegendes Ziel ist es, allen Kindern und Jugendlichen die gleichen Chancen zu sichern, egal woher sie kommen, wo sie wohnen oder welchen sozialen Status sie haben. Dieses Ziel muss angesichts der aktuellen Herausforderungen verteidigt und weiterentwickelt werden. Programme zur gezielten Förderung benachteiligter Schulen, Investitionen in die Infrastruktur und eine verbesserte Unterstützung für Lehrkräfte sind entscheidende Elemente.

Die Lehren aus den letzten Jahren verdeutlichen, dass die Schwierigkeiten im Bildungsbereich nicht unabhängig voneinander angegangen werden können. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Land, Kommunen, Schulen, Hochschulen und weiteren Akteuren ist erforderlich. Es ist entscheidend, dass Sachsen-Anhalts Bildungssystem die Zukunft aktiv gestaltet, Innovationen unterstützt und das Lehrerleben nachhaltig attraktiver macht, um den Wandel zu meistern. In den kommenden Jahren wird es entscheidend sein, ob das Land die Chance ergreifen kann, eine stabile und gerechte Bildungslandschaft zu schaffen.